Nur noch knapp drei Wochen bis zum 01. November 2014. Spätestens dann müssen alle neu zugelassenen Pkw, Geländewagen und Wohnmobile – das sind Fahrzeuge der Klassen M1/M1G – laut der EU-Verordnung Nr. 661/2009 ein Reifendruck-Kontrollsystem (RDKS) an Bord haben. Dessen ungeachtet haben die Automobilhersteller bereits im Frühling 2014 damit begonnen, ihre Fahrzeuge in Serie mit RDKS auszurüsten. „Denn kein Konzern will riskieren, am Stichtag noch auf Restbeständen ohne RDKS zu sitzen“, erläutert Dipl.-Ing. Michael Schwämmlein, Leiter des Geschäftsfeldes Sensorik der ALLIGATOR Ventilfabrik GmbH in Giengen/Brenz.

Wenn in nächster Zeit die Umrüst-Saison beginnt, werden die Reifenhändler rasch feststellen, ob sie fit für das Thema RDKS sind, oder in den Kategorien Fachwissen, Equipment und Arbeitsorganisation noch nachbessern müssen. Die von PADDOCK NEWS befragten Experten geben einen Überblick, was die Händler über das Thema RDKS auf jeden Fall wissen müssen.

Warum RDKS?

„Bereits ein Reifen-Minderdruck von 0,2 bar erhöht den Spritverbrauch um ein Prozent, bei einer Differenz von 0,6 bar sind es bereits vier Prozent.“, beziffert Norbert Allgäuer-Wiederhold, Leiter Pirelli Tyre Campus, die Folgen eines zu geringen Reifenfülldrucks. Aber auch die Sicherheit leidet. So verlängert der Minderdruck von einem bar an einem Vorderrad den Bremsweg auf nasser Fahrbahn um satte zehn Prozent. Konkret: Bei einer Vollbremsung aus 100 km/h hat das Fahrzeug noch eine Restgeschwindigkeit von etwa 27 km/h. Bei einem Aufprall kann dies für Fussgänger lebensbedrohlich sein. „Darüber hinaus werden die Seitenkräfte des Reifens um fast die Hälfte verringert, woraus ein schlechtes Kurvenverhalten resultiert. Das Fahrzeug gerät schneller ins Schleudern und kann von der Strasse rutschen“, warnt Norbert Allgäuer-Wiederhold. Bei voller Beladung des Fahrzeuges verstärkt sich diese Tendenz.

Weil die Stabilität fehlt, gerät der Wagen bei Spurwechselmanövern früher ins Schleudern. ESP kann in diesen Situationen nur bedingt helfen. Nicht zuletzt verschleissen Reifen mit falschem Fülldruck schneller und müssen früher ersetzt werden. RDKS überwachen den Luftdruck der Reifen und warnen den Fahrzeugführer, sobald der Ist-Wert eines Reifens vom Soll-Wert abweicht.

Welche RDKS-Systeme gibt es?

Fachleute unterscheiden direkte und indirekte Systeme. „Bei direkten Systemen misst ein Sensor in jedem Reifen die Werte für Druck und Temperatur, bei indirekten Systemen erfassen Sensoren des ABS die Drehzahl der Räder und leiten daraus den Reifendruck ab“, nennt Thomas Kienzle, RDKS-Experte des Automotive Zulieferers Huf Electronics, Bretten, die massgeblichen Unterschiede. Eine Vorgabe des Gesetzgebers gibt es dazu allerdings nicht. Den Autoherstellern ist es freigestellt, auf welche RDKS-Variante sie setzen. „Die Systeme müssen allerdings den Vorgaben der EU-Richtlinie ECE -R 64 entsprechen“, unterstreicht Martin Kiechl, Leiter der Stahlgruber-Stiftung, München.

Wer verbaut die Systeme in der Erstausrüstung?

„Die Hersteller der Systeme liefern ihre Produkte an die Automobilkonzerne“, sagt Thomas Kienzle von Huf Electronics. „Dort werden sie als Originalsensoren montiert und in das jeweilige Fahrzeugsystem integriert.“

Wie kommen RDKS in die Reifen des Ersatzgeschäfts?

Hier ist der Reifenhändler gefordert. Er muss die im Fahrzeug verbauten Systeme erkennen, bei direkten Systemen die Sensoren identifizieren und die Ersatzreifen daraufhin mit geeigneten Sensoren versehen.

Welche Arbeitsschritte sind damit verbunden?

„Im Idealfall macht der Mitarbeiter des Händlers zuerst einen Eingangs-Check“, empfiehlt Michael Schwämmlein. „Er startet den Wagen und überzeugt sich, dass im Display des Armaturenbretts für das RDKS keine Fehlermeldung angezeigt wird.“ Anschliessend geht er mit einem Hand-Diagnosegerät ums Auto und steuert damit jeden Reifen und dessen Sensor an. Das Gerät liest die Identifikations-Nummern (ID) der Sensoren an den einzelnen Radpositionen aus und erfasst Informationen zu ihrer Funktions-fähigkeit und dem Status ihrer Batterien. Ist alles in Ordnung, informiert sich der Monteur in einer Online-Datenbank, ob er Universalsensoren für den Fahrzeugtyp programmieren kann oder ob er Originalsensoren verwenden muss.

Kann er Universalsensoren verwenden, wählt er in der Datenbank das entsprechende Programmierprotokoll aus und programmiert über das Programmier-Pad die Sensoren. Die Programmierung kann auch über ein programmierfähiges Hand-Diagnosegerät erfolgen. „Abschliessend prüft der Monteur im Fahrzeughandbuch bzw. in der Datenbank, ob und wie die Sensoren an das System des Fahrzeugs angelernt werden müssen“, so Michael Schwämmlein. „Zum Schluss sollte der Monteur einen Ausgangs-Check durchführen, wobei er dieselben Testschritte vornimmt wie beim Eingangs-Check. So kann er dem Kunden ein dokumentiert fehlerfreies System übergeben.“

Wie hoch ist der zeitliche Aufwand der Montage?

Eine REFA-Studie ermittelte einen Arbeitsaufwand von 15 bis 27 Minuten pro Fahrzeug. Vorausgesetzt, der Mitarbeiter beherrscht die Materie und verfügt über die nötigen Geräte. Die Differenz von zwölf Minuten hängt davon ab, mit welchen Programmier- und Sensorkomponenten er arbeitet und ob ein Anlernen des Sensors an das Fahrzeugsystem erforderlich ist oder nicht.

Welches Equipment ist erforderlich?

Die Monteure benötigen

  • spezielle Drehmoment-Schlüssel für unterschiedliche Anzugmomente (diese liegen bei nur 1,4 bis ca. 9,0 Nm),
  • ein Programmier-Pad und einen PC mit Webzugang oder ein Programmierfähiges Hand-Diagnosegerät,
  • ein Hand-Diagnosegerät,
  • Sensoren, Ventile und Systemersatzteile.

Was kostet das Equipment?

Ein Programmier-Pad ist ab ca. 350 CHF erhältlich, ein Hand-Diagnosegerät ab ungefähr 550 CHF. Dabei handelt es sich um die günstigsten Varianten. In der Spitze kosten die Geräte zwischen 1.000 und 2.000 CHF pro Stück.

Sollten Reifenhändler alle Systeme vorrätig halten?

Es gibt rund 100 Sensorvarianten, deren Preise zwischen 50 und fast 300 CHF schwanken. Der Grosshandel verfügt über eine leistungsfähige Lieferkette, die eine Versorgung mit Originalersatzteilen mehrmals am Tag sicherstellt. Um die Vielfalt der Originalsensoren auf ein Minimum zu reduzieren, bieten Hersteller programmierbare Universalsensoren an, mit denen der Reifenhandel fast alle Fahrzeugtypen abdecken kann.

Wie müssen welche Mitarbeiter geschult werden?

Für Martin Kiechl von der Stahlgruber-Stiftung, München, steht fest: „Die Monteure, aber auch die Mitarbeiter im Büro sowie die Kundenberater benötigen fundierte Kenntnisse über RDKS, da andernfalls die Abläufe viel zu lange dauern oder der Auftrag nicht ausgeführt werden kann.“

Am Ende dieser Massnahmen steht dabei die stetige Steigerung der Sicherheit im Strassenverkehr. Dies gilt es auch den Endkunden entsprechend zu vermitteln.