Wenn es etwas gab, das im Jahr 2021 die Beschleunigung des weltweiten Übergangs zur Elektromobilität deutlich machte, dann war es der Anblick der neuen Automodelle, die im September in München auf der ersten großen europäischen Automesse seit Beginn der Covid-Pandemie vorgestellt wurden. Und fast alle großen Hersteller setzten auf dieselbe Story: elektrisch, elektrisch, elektrisch.
Stadtflitzer und große Reisemobile wurden ausgestellt, ebenso Familienautos, SUVs, Roadster, Schräghecklimousinen und Pick-up-Trucks. Porsche präsentierte einen erstaunlichen Elektro-Supersportwagen mit 1.000 PS. Nicht minder spektakulär war der Mercedes-Maybach mit zwei Elektromotoren, der wahrscheinlich in Präsidentenpalästen geparkt wird. Am anderen Ende des Stilspektrums stand ein vollelektrisches Wohnmobil von VW.
Bei allen Modellen handelt es sich um Automobile der Zukunft. Einige dieser Modelle kamen ab Ende 2021 in die Verkaufsräume, andere sind für dieses oder nächstes Jahr geplant. Sie alle sind Vorboten eines sich beschleunigenden Wandels hin zu Elektroautos.
Wachsender Absatz
Laut einer amtlichen Studie der Internationalen Energieagentur (IEA) wächst der Absatz von Elektrofahrzeugen einschließlich Hybridfahrzeugen schneller als jedes andere Segment: Im Jahr 2020 stiegen die Zulassungen der Elektrofahrzeuge um über 40 Prozent, während der Absatz von nicht-elektrischen Fahrzeugen um 16 Prozent zurückging.
In Europa und China kommt der Markt erst richtig in Schwung. Im Jahr 2020 wurde Europa mit 1,37 Millionen verkauften Einheiten der weltweit größte und am schnellsten wachsende Markt für Elektrofahrzeuge - sowohl für Plug-in-Hybride als auch für vollelektrische Modelle - während China der größte Markt für reine Stromer bleibt.
In den USA sind die Verkäufe von Elektroautos zwischen 2018 und 2020 zwar zurückgegangen, aber das Land hat Pläne, um aufzuholen: Präsident Joe Biden hat gefordert, dass bis 2030 die Hälfte aller Verkäufe auf Elektrofahrzeuge entfallen soll.
Es ist noch ein langer Weg
Morgan Stanley prognostiziert zwar, dass bis 2030 fast die Hälfte der weltweit verkauften Neuwagen Elektroautos sein werden – dann werden jährlich etwa 36 Millionen Einheiten produziert (gegenüber etwa 4 Millionen heute) -, aber der gesamte weltweite Fahrzeugbestand wird dann immer noch zu 90 Prozent mit fossilen Brennstoffen angetrieben. Es werden immer noch 1,5 Milliarden Benzin- und Dieselfahrzeuge auf den Straßen unterwegs sein.
Viele Beobachter erwarten von den Regierungen, dass sie mehr tun, um den Umstieg zu fördern. Mehrere Länder haben vorgeschlagen, den Verkauf von Neufahrzeugen mit Verbrennungsmotoren bereits ab 2025 zu verbieten, darunter Norwegen, Schweden, Großbritannien, mehrere EU-Länder, Japan und Singapur. Doch viele andere halten sich zurück. Aber auch einige US-Bundesstaaten sowie die chinesische Provinz Hainan und Hongkong haben sich diesbezüglich Ziele gesetzt.
Inzwischen schätzt die IEA, dass Regierungen im vergangenen Jahr weltweit 14 Milliarden Dollar für Anreize und Steuererleichterungen bezüglich der Elektrofahrzeuge ausgegeben haben. Das mag viel klingen, allerdings investieren einige Automobilunternehmen einen ähnlichen Betrag in die Forschung und Entwicklung von Elektrofahrzeugen und der dazugehörigen Technologie.
Emissionen senken
Nur wenn Elektrofahrzeuge sich schneller durchsetzen, werden die erhofften Emissions-Senkungen eintreten. Bei den derzeitigen Fortschritten wird der CO2-Ausstoß des Straßenverkehrs wahrscheinlich weiter steigen, wenn auch langsamer. Der Straßenverkehr ist derzeit für 15 Prozent der weltweiten Kohlenstoff-Emissionen verantwortlich. Und Morgan Stanley zufolge werden bis 2030 150 Millionen mehr Benzin- und Dieselfahrzeuge auf den Straßen unterwegs sein als heute, auch wenn der Anteil der Elektrofahrzeuge zunehmen wird. Das bedeutet: Der Straßenverkehr könnte im Jahr 2030 trotz Effizienz- und Kraftstoffverbesserungen mehr CO2 ausstoßen als heute.
Hier verweisen die Prognosen einmal mehr auf das Potenzial eines stärkeren staatlichen Eingreifens, um die Nutzung fossiler Brennstoffe zu reduzieren und Elektrofahrzeuge stärker zu fördern. Die IEA ist der Ansicht, dass eine "Masseneinführung" die Verkehrs-Emissionen bis 2030 tatsächlich um mehr als ein Drittel senken könnte - oder gar um zwei Drittel, wenn die Regierungen noch ehrgeizigere Nachhaltigkeitsziele beschließen.
Diese Ziele würden strengere Regeln für das Anrechnen von Fahrzeugen auf den kohlenstofffreien Verkehr beinhalten. Eventuell striche man sämtliche Hybridfahrzeuge aus den Berechnungen und berücksichtigte nur noch Fahrzeuge, die ausschließlich mit Elektrobatterien oder Wasserstoff-Brennstoffzellen betrieben werden. Auch der Ausbau der Ladeinfrastruktur für Elektrofahrzeuge müsste vorangetrieben werden. Ein Beispiel: Kürzlich durchgeführte Untersuchungen zeigten, dass fast alle Ladestationen in der EU auf nur drei Länder konzentriert sind. Demgegenüber verfügen einige Staaten nur über ein paar hundert Ladestationen, um eine Millionenbevölkerung zu versorgen.
Die Elektroautos und Wohnmobile auf den Messeständen sind ein klares Signal, dass die Zukunft elektrisch ist. Doch bis die Menschen eine kohlenstofffreie Mobilität erreichen und diese Fahrzeuge in großer Zahl nutzen - und für deren Stromerzeugung kein Öl, Gas oder Kohle mehr verbrennen - liegt noch ein langer Weg vor uns.