Die grandiose Gal
Gal Gadot hätte wohl kaum eine bessere Rolle finden können als die der Diana Prince alias Wonder Woman – denn sie entspricht ihrer feministischen Einstellung ebenso wie ihrem Hintergrund als Kampfsportlerin und ehemalige Fitnesstrainerin der israelischen Armee. Der Action-Film entpuppte sich als Sommer-Spektakel und übertraf selbst die optimistischsten Erwartungen der Branche, indem er weltweit mehr als 800 Millionen Dollar einspielte.
Das ist nicht nur ein beachtliches Ergebnis für eine weibliche Comic-Heldin, sondern bescherte Gal Gadot auch die Hauptrolle in der geplanten Fortsetzung. Eine angemessene Belohnung für Gadots von der Kritik gefeierte Leistung als ziemlich ultimative weibliche Filmkriegerin.
Persönlich ist Gadot extrovertiert und überschwänglich. Sie lacht gern, hört selten auf zu lächeln und scheint immer noch Ehrfurcht vor der ganzen Aufmerksamkeit zu haben, die ihr als Filmstar zuteilwird.
Die 32-Jährige lebt immer noch in Tel Aviv, gemeinsam mit ihrem Ehemann, dem Unternehmer Yaron Versano, und ihren beiden Töchtern Alma, sechs, und Maya, geboren im März 2018. Abgesehen von Wonder Woman ist Gadot einer der führenden Darstellerinnen in den äußerst beliebten Fast & Furious-Filmen, von denen der letzte, The Fate of the Furious, der bisher erfolgreichste ist. Kurz gesagt: Gal Gadots Stern strahlt hell.
Pirelli: Wenn Du Wonder Woman spielst: Was ist für Dich das wichtigste, um einen unverwechselbaren Eindruck beim Publikum zu hinterlassen?
Gal: Es kommt sehr darauf an, zusätzlich zu ihrer kämpferischen Einstellung auch das Herz, die Gefühle der Figur zu zeigen und dabei einen sehr spezifischen emotionalen Ton zu finden. Für mich war es entscheidend, dass jeder in der Lage sein würde, sich in eine bestimmte Weise in Wonder Woman einfühlen zu können. Denn sie ist eine Göttin und wie sollen wir mit einem solchen Wesen umgehen? Aber ich denke, wir konnten dem Publikum zeigen, dass sie eine facettenreiche Figur und eine mächtige Kriegerin ist, die gleichwohl unvollkommen ist und verletzlich und verwirrt sein kann. Die Tatsache, dass sie keine Angst hat, ihre Fehler zu zeigen, ist es, was sie so besonders macht.
Pirelli: Wie haben Sie Ihre Persönlichkeit an Diana bzw. Wonder Woman angepasst?
Gal: Ich wollte ihr eine gewisse Unschuld geben, nicht als Schwäche, sondern um zu zeigen, dass sie mehr als eine kalte und entschlossene Kriegerin ist. Ich wollte keine beängstigende Figur darstellen, sondern jemand, mit dem sich die Leute identifizieren können. Die Zuschauer sollen in der Lage sein, sich in gewisser Weise mit ihr zu identifizieren, denn es ist immer interessanter, einer Geschichte zu folgen, wenn man Gefühle in eine Figur investieren kann. Ich bin sehr berührt und dankbar für die Art und Weise, wie die Menschen meine Arbeit aufgenommen haben.
Pirelli: Was macht Wonder Woman für Dich zu etwas Besonderem?
Gal: Es war das erste Mal, dass ich einen Mega-Film drehte, der sich in der Entstehung sehr intim anfühlte. Ich denke, wir hatten viel Glück, dass die Chemie zwischen den Schauspielern ebenso stimmte wie unsere Beziehung zu Patty Jenkins, der Regisseurin. Selbstverständlich mussten wir bei den Dreharbeiten etliche Herausforderungen meistern, wie mitten im Winter in London zu drehen oder an bestimmten Tagen ein wirklich großes Pensum absolvieren zu müssen. Aber das alles war gut zu bewältigen, weil wir uns gegenseitig sehr unterstützt haben.
F: Wie war die Zusammenarbeit mit Patty Jenkins, Regisseurin von Wonder Woman?
Gal: Zunächst muss ich sagen, dass Patty genau die richtige Person für diesen Job war. Sie hat sämtliche Fähigkeiten und Qualitäten, die dieser Film brauchte. Aber es ist schon etwas anderes, mit einer Regisseurin zu arbeiten, die wie ich ein junges, unschuldiges Mädchen war und aufwuchs, um zu verstehen, dass die Welt ein komplizierter Ort ist. Das hat mir geholfen, diese künstlerische Reise mit ihr zu unternehmen. Patty ist ungemein talentierte Regisseurin, klug und leidenschaftlich. Sie tauchte mit uns in jede Szene ein. Wir machten zahlreiche Aufnahmen, bis wir den einen perfekten, magischen Cut hatten. Sie ist eine Perfektionistin, die nicht ruht, bevor alles so ist, wie es ihrer Meinung nach sein soll. Mit ihrer Art hat sie uns dazu gebracht, noch härter zu arbeiten und für sie unser Bestes zu geben.
F: Wie haben Sie sich den Charakter der Wonder Woman zueigen gemacht?
Gal: Ich denke, als Schauspielerin gebe ich mich jeder Figur, die ich spiele, hin. Ich fühle mich Diana sehr nahe. Es ist das erste Mal, dass ich einen Charakter spiele, der einfach gut, rein und positiv ist. Und das ist für mich als Person und als Schauspielerin sehr inspirierend. Ich komme aus einem sehr sicheren und geschützten Umfeld und hatte eine ganz normale Kindheit. Ich war sehr behütet. Ich sage nicht, dass ich eine ähnliche Entwicklung wie Wonder Woman gemacht habe, doch ich wuchs als Mädchen auf und wurde zu einem komplizierten Menschen. Diana war lange sehr naiv und unschuldig, und dann geriet sie plötzlich in ein Szenario, das sie die Welt besser verstehen ließ, und plötzlich wurde sie erwachsen.
Pirelli: Aber wie haben Sie sich die Figur zu eigen gemacht?
Gal: Um ganz ehrlich zu sein, ich habe nicht darüber nachgedacht, wie ich sie mir zu eigen machen könnte. Was mich als Schauspielerin antreibt, sind Antworten auf die Fragen zu geben: Wie erzähle ich ihre Geschichte auf die interessanteste und originellste Weise? Und wie gebe ich das Beste, was ich habe. Das ist alles, worauf ich mich konzentriert habe. Wie mache ich die Figur für Menschen zugänglich? Es ist sehr schwer, sich mit einer Göttin zu identifizieren, also habe ich nach ihren Brüchen und Unvollkommenheiten gesucht, um ihre Unsicherheit und manchmal ihren Mangel an Selbstvertrauen zu zeigen. Als ich mit Patty über die Figur sprach, haben wir beide sehr stark gespürt, dass sie sehr viele Dinge symbolisiert - sie ist wichtig für Feministinnen, aber auch für alle andern. Sie ist die stärkste und mächtigste weibliche Figur, und ich wollte sie keinesfalls so darstellen, dass sie wie ein Boss oder Besserwisser rüberkommt. Ich wollte, dass die Leute sie mögen können. Ich denke, man kann Menschen lieben, wenn man sieht, dass sie nicht perfekt sind, aber weich und liebevoll und es gut meinen.
Pirelli: Jetzt, da wir die Fortsetzung von Wonder Woman sehen werden: Glauben Sie, dass das Publikum die Figur besser verstehen und schätzen wird?
Gal: Absolut. Und ich denke, das ist sehr wichtig. Wonder Woman ist eine derart ikonische Figur, dass sie es definitiv verdient, eine Ursprungsgeschichte zu haben. Ich bin froh, dass wir sie erzählen konnten. Das mussten wir tun, weil ihre Geschichte im ersten Film, in dem sie auftaucht (Batman v Superman: Dawn of Justice) nicht dargestellt wird. Jeder Superheld, den wir kennen, Superman, Batman oder SpiderMan, sie alle haben ihre Ursprungsgeschichte und wir wissen, woher sie kommen und was sie zu dem gemacht hat, was sie sind.
F: Kannst Du über deine Wonder Woman Kostüme sprechen? Hast Du Favoriten?
Gal: Ich trage 14 verschiedene Kostüme in diesem Film, daher ist es schwer, zwischen dem silbernen und dem goldenen zu wählen. Keines der Kostüme ist leicht, aber auch nicht zu schwer. Ich habe ein Kostüm, das gleicht dem, das ich in Batman v Superman trug, dabei ist es viel bequemer als das Original. Glücklicherweise muss ich es nicht lange tragen. Als wir uns auf Wonder Woman vorbereiteten, machte ich deutlich, dass etwas Sauerstoff durch meinen Körper fließen muss, damit ich den Film drehen kann. Also haben wir das Material verändert und das Kostüm etwas größer gemacht, so dass es nicht super, super eng ist. Denn ich trug es jeden Tag, und wir über 117 Tage gedreht. Die neue Version ist toll - ich kann sogar darin schlafen. Für mich ist es jetzt wie ein Pyjama! Ich liebe das Kostüm, ich denke, es ist super stark und sexy zugleich.
F: Mussten Sie für die Rolle viel trainieren? Sie müssen Reiten können. Gab es darüber hinaus noch etwas, was Sie lernen mussten?
Gal: Bevor ich anfing, Wonder Woman zu drehen, fühlte ich mich wie ein kleines Mädchen, das zum Kilimandscharo aufblickte und darüber nachdachte, wie zur Hölle es den Weg zum Gipfel schaffen soll. Ich denke, die größte Herausforderung für mich war die körperliche Arbeit. Während der Dreharbeiten hatte ich ein Zelt im Studio und jedes Mal, wenn wir eine Pause einlegten, ging ich zum Training. Ich trainierte die ganze Zeit. Die größte Herausforderung, die ich am Set hatte, war der Dreh mitten im Winter in England. Mir war in dem knappen Kostüm so kalt, dass ich kaum reden konnte.
Pirelli: Ihre Entwicklung von Miss Israel, die als Fitnesstrainerin bei der israelischen Armee dient, zum großen Filmstar ist eine unglaubliche Geschichte.
Gal: Ursprünglich wollte ich Choreographin werden. Ich tanze, seit ich 12 Jahre alt bin. Später bekam ich viele Angebote, als Model zu arbeiten, aber ich habe diese Arbeit fast immer abgelehnt. Ich fand das sehr oberflächlich. Dennoch entschloss ich mich dazu, am Miss Israel Wettbewerb teilzunehmen. Als ich gewann, war ich total verblüfft und völlig unvorbereitet. Danach fing ich an, als Model zu arbeiten. Zugleich habe ich Jura studiert.
Pirelli: Wie kamen Sie danach zur Schauspielerei?
Gal: Das war purer Zufall. Mein Modelagent sagte, ein Kollege habe mein Foto gesehen und vorgeschlagen, ich solle vorsprechen, um ein Bond Girl zu werden. Ich lehnte zunächst ab, denn ich bin keine Schauspielerin spreche kein perfektes Englisch. Am Ende ging ach aber doch zum Vorsprechen und war fasziniert von dem Prozess. Ich habe die Rolle in ein Quantum Trost zwar nicht bekommen, sondern Olga Kurylenko, aber danach sprach ich für eine israelische TV-Show vor und wurde engagiert. Anschließend bekam ich die Rolle in Fast & Furious und lebe seither einen Traum!