Elektrofahrzeuge sind zweifellos eine gute Sache. Sie stoßen kein Kohlendioxid aus. Sie machen kaum Lärm. Sie bewegen sich wie ein Traum. Und selbst nach dem enormen Anstieg der Stromkosten sind sie in den meisten EU-Ländern immer noch billiger als Fahrzeuge mit Benzinmotor. Für eine Revolution ist dies eine willkommene Sache.
Doch Revolutionen verlaufen selten reibungslos. Wenn es bei der Mobilität nicht mehr so sehr um Kolben und Getriebe geht, sondern um komplexe Software-Codes, dann erweist sich all das gesammelte Wissen der Autoindustrie als wenig hilfreich. Das ist die Herausforderung im neuen Zeitalter der "Software-definierten Autos" - oder, wie wir sie kurz nennen könnten, der "SoftCars".
Komplexe Systeme
Als Elektroautos erstmals in Serie produziert und als Alternative zu konventionellen Fahrzeugen vermarktet wurden, sah es nach einem leichten Sieg für die Nachhaltigkeit aus. Elektromotoren haben weniger Komponenten als Verbrennungsmotoren, sind einfach und sehr zuverlässig. Doch vielleicht haben wir uns damals zu früh gefreut, denn in der realen Welt des Energiemanagements, des autonomen Fahrens und der zahlreichen Datenströme benötigen auch Elektrofahrzeuge hochkomplexe Computersysteme, um sie auf der Straße zu halten.
Laut einer aktuellen Studie von McKinsey hat sich die Komplexität der Software in der Automobilindustrie in den vergangenen 15 Jahren mindestens verfünffacht. Inzwischen wird geschätzt, dass ein Elektroautomobil viermal so viele Code-Zeilen benötigt wie ein Verkehrsflugzeug. Die Dinge sind so kompliziert geworden, dass die Hersteller viel Zeit und Geld aufwenden müssen, um Softwareelemente von vielen verschiedenen Anbietern zu integrieren.
Komplexe Montage
Die Montage des Elektroautos gestaltete sich etwas schwieriger als erwartet. Vorübergehende Engpässe bei Komponenten wie Mikrochips sind ein Teil der Geschichte, aber nur ein kleiner Teil. Die anfängliche Erwartung, dass Elektroautos einfacher zu bauen seien als mit fossilen Brennstoffen betriebene Fahrzeuge, weil sie weniger Bauteile haben, erwies sich als falsch. Tatsächlich haben beide ungefähr die gleiche Anzahl von Komponenten, wenn man das Batteriepaket mitzählt, und eine typische EV-Produktionslinie hat mindestens so viele Montagestationen und Fließbandarbeiter wie eine herkömmliche Automobilfabrik.
Manche spekulieren, dass vor allem Technologieunternehmen von diesen Herausforderungen profitieren werden - allerdings müssen sie sich an die hohen Sicherheitsstandards der Automobilindustrie gewöhnen. Alle Automobile müssen ausfallsichere Tests bestehen - in der Branche als so genannte Automotive Safety Integrity Level (ASIL) bekannt. Die Computer, die das SoftCar steuern, müssen genauso zuverlässig sein wie die konventionellen Autos, die sie ersetzen.
Langfristig ist das alles gar nicht so schlecht. Die etablierten Automobilhersteller werden lernen, sich in der neuen Welt des SoftCar zurechzutfinden und Hardware und Software zu kombinieren, um mehr Fahrzeuge zu entwickeln, welche die Menschen benötigen und auch wollen. Und Technologieunternehmen werden sich daran gewöhnen, mit den Standards zu arbeiten, die in der Automobilindustrie üblich sind, und dadurch besser werden.
Und wir alle werden auf dem Weg zu einer nachhaltigen Mobilität einen Schritt weiter sein.